Vor einiger Zeit, und nun wieder neu, ist die Debatte um Tageszeitungen aufgeflammt – respektive, ob man sich auch über andere Quellen genügend über das Tagesgeschehen informieren kann.
Ich habe damals und auch heute eine klare Meinung: Auch wenn ich schätze, was alles an Inhalt in einer Tageszeitung drin steht, so gehöre ich zur „Gratiszeitung“-Generation. Wobei ich seit Twitter auch kaum mehr Gratiszeitungen lese, weil mich Twitter viel informativer und interaktiver dünkt. Die Tageszeitungen haben in meinen Augen sehr viele Nachteile:
– unhandliches, grosses Format (wenn man nicht damit aufgewachsen ist, versteht man auch nicht einmal, weshalb Tageszeitungen so ein mühsames Format haben müssen)
– viel zu umfangreich (grosser Druck, täglich so viel zu lesen)
– Kosten
– Umweltgedanken
– Keine Interaktion möglich
Ich weiss nicht, wie lange jemand liest, der eine Tageszeitung gründlich liest. Ich stelle mir vor, dass man mindestens eine Stunde braucht, um ungefähr zu wissen, was da alles steht. Nun bin ich bekannterweise ein Nachtmensch. Morgens 1h Zeitunglesen kommt für mich schlicht nicht in Frage. Leider gehöre ich auch nicht zu den erlauchten Kreisen, die ihre Zeitung ins Büro nehmen und dort noch gemütlich Zeitunglesen. Am Abend die Tageszeitung mit Infos vom Vortag zu lesen, wenn es die Tagesschau, 10vor10 sowie Nachrichtenportale, Twitter und Blogs gibt, finde ich dann schon ziemlich ineffizient und unlogisch.
Ich bin mir bewusst, dass ich vielleicht auf diese Weise nicht alles mitbekomme. Jedoch kann ich über Twitter sehr gut steuern, was für Personen mit welchen Interessen ich folge. Ich wage zu behaupten, dass unter den rund 850 Personen, denen ich folge, sehr viele sehr belesene, interessierte und gebildete Personen mit differenzierten Meinungen sind. Durch sie wurde ich schon auf viele Artikel oder Diskussionen aufmerksam, die ich sonst verpasst hätte.
Es mag sein, dass ein Abonnent einer Tageszeitung den breiteren Überblick hat – was ihm dafür fehlt: Die Volksstimme, was die Personen wirklich denken, was sie austauschen, was sie kommentieren etc. Die wenigen Leserbriefe werden kaum ein ähnlich lebhaftes und unzensuriertes Bild liefern wie Kommentare auf Twitter oder in Nachrichtenportalen (die oft zum Schreien sind, aber auch das ist eine Realität). Bei Twitter „kennt“ man die verschiedenen Leute und ihre Haltungen mit der Zeit und kann deshalb ihre Kommentare relativ gut einordnen.
Eine weitere Frage, die sich mir stellt (bin auf eure Kommentare gespannt!): Wieviel der Inhalte bleiben wirklich im Kopf hängen, wenn man Tag für Tag 1-2 Stunden in einer Tageszeitung liest? Meine Frage an die täglichen Zeitungsleser: Wenn man Sie nach der Lektüre fragen würde, was Sie über das soeben Gelesene noch wissen – wie viel könnten Sie erzählen? Ich frage dies, weil ich mir auch überlege, ob man sich in eine gewisse „Pseudo-Informiertheit“ hineinsteigert. Man glaubt zwar, wahnsinnig viel zu wissen und zu lesen – aber wieviel davon einen Tag, eine Woche oder einen Monat später wirklich noch im Gedächtnis vorhanden ist, frage ich mich ernsthaft, da eine Tageszeitung sehr viele Informationen und Artikel enthält. Falls man argumentiert, man lese nur ausgewählte Artikel und somit nur einen Ausschnitt aus der ganzen Zeitung, dann wären wir wiederum bei der Frage, ob ein „Ausschnitt“ nicht ebenbürtig ist mit den Informationen, die auf Twitter, in den Nachrichtenportalen und in der Tagesschau / 10vor10 kursieren.
Warum jemand wie Herr Gossweiler dermassen gegen eine Generation schiesst (ich wage zu behaupten – jeder kennt die sinkenden Auflage-Zahlen der Tageszeitungen – was zeigt: ich bin nicht alleine mit meiner Haltung) anstatt sich zu überlegen, wie man an die jüngere Generation herankommt, befindet sich ausserhalb meines Vorstellungsvermögens. Wäre ich ein Journi, dessen tägliches Brot von interessierten Lesern resp. Zeitungsabos abhängt, würde ich wohl zuletzt gegen die Leute schiessen, die auch in ein paar Jahrzehnten (in welcher Form auch immer) zu meinen Brötchen beitragen sollten.
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