Es wäre interessant eine Studie zu haben, die über die letzten Jahrzehnte verfolgt hat, wie unsere Gesellschaft mit Menschen umgeht, die nicht in ihr „Raster“ passen – und was die Kriterien sind, die dieses „Raster“ ausmachen. Es scheint mir, dass wir immer mehr „Feindbilder“ oder sogenannte „Sündenböcke“ haben, die für all unsere Probleme als „wahre Schuldige“ herhalten müssen – um uns von unseren eigenen Fehlern und Unzulänglichkeiten abzulenken.
Ein paar Beispiele, um meine Theorie zu untermauern (die Liste kann beliebig fortgesetzt werden):
– Bist du übergewichtig, hast du dich nicht im Griff, bist undiszipliniert, ungepflegt, faul, ein/e Versager/in und an den steigenden Krankheitskosten schuld. Isst du mal in der Öffentlichkeit im Sommer ein Eis, wirst du von allen Seiten verächtlich angeschaut, wobei schlanke Menschen unbehelligt ihren kulinarischen Gelüsten fröhnen können.
– Bist du aus Altersgründen nicht mehr berufstätig und kannst demzufolge im Sinne unserer Gesellschaft nicht mehr „leisten“ bist du nichts mehr wert. Und falls du noch eine Operation brauchen solltest, kannst du nur hoffen, dass der Krankenkasse dein Leben genug Wert ist, um auch im höheren Alter die nötige medizinische Versorgung zu erhalten.
– Hast du nach der Lehre keine Stelle gefunden, hast du Pech, da du schnell ausgesteuert wirst und kaum mehr eine Chance hast, wieder ins Berufsleben einzusteigen – da heute vor allem Stellen ausgeschrieben sind, wo man bereits Berufserfahrung mitbringen sollte. Für deine missliche Lage kannst du übrigens den netten Parteien und Vertretern danken, die damals für die Revision des Arbeitslosengesetzes im September 2010 gestimmt haben, dies waren: Bundesrat, Parlament, BDP, CVP, FDP, Grünliberale, SVP. Diese verheerende Entscheidung hat deine Situation erheblich verschlechtert. Nur EVP, Grüne und die SP haben damals dagegen gestimmt und sich solidarisch mit den schwächsten Gliedern unserer Gesellschaft gezeigt.
– Hast du eine Einschränkung aufgrund einer Krankheit, bist du auch eine Kostenbürde und vermutlich sowieso selber an deiner Erkrankung schuld (schlechter Lebenswandel etc.).
– Bist du arbeitslos, hast du dir wohl einfach zu wenig Mühe gegeben (schliesslich – das sagen ja die bürgerlichen Parteien: „Wer will, der kann“).
– Und last but not least: Wenn du Ausländer/in bist, ist eigentlich egal was du machst – arbeitest du, nimmst du uns die Jobs weg, arbeitest du nicht, liegst du uns auf der Tasche….und in beiden Fällen bist hauptsächlich du am Klimawandel, unseren Energie- und Mobilitätsproblemen schuld….
Summieren wir diese Gruppe von „unerwünschten Personen“ – auf wieviel würden wir dann kommen? Das ist doch eine zu hohe Zahl von Sündenböcken, die an den Rand unserer Gesellschaft gedrängt werden. Wir können nicht immer mehr Personen aus dem gesellschaftlichen Leben ausschliessen. Wenn das so weitergeht, haben wir bald mehr „Randgruppen“ als Personen, die aktiv am gesellschaftlichen und politischen Leben teilhaben können.
Wollen wir das? Lasst uns diese prekäre Entwicklung stoppen!
Wie können wir das erreichen?
Meine Ideen:
Sensibilisierungskampagnen zu diesem Thema die aufzeigen sollen, dass es jeden treffen kann (Arbeitslosigkeit, Krankheit etc.) und man schon bald selber zu den „Randständigen“ gehören könnte, wenn diese „Mentalität der Verurteilens“ so weiter geht.
Und – politisch wohl nicht umsetzbar – wäre ein Sinneswandel jedes Einzelnen und dann der ganzen Gesellschaft hinzu einer Wertehaltung, die geprägt ist von gegenseitiger Wertschätzung und Respekt, Voraussetzung für eine wirklich gesunde Schweiz. Dazu ein vernünftiges Mass an „vor der eigenen Haustüre wischen“ und nicht alle Schuld immer bei den anderen suchen.
Was sind deine Ideen?