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über unsere Gesellschaft

Juni 8, 2011
by Tania
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Die Macht der Werbeindustrie und die Verantwortung der Politik

Die Macht der Werbeindustrie und die Verantwortung der Politik

Ich habe mir kurz überlegt, ob ich ein solches „Frauen-Thema“ überhaupt auf meinem politischen Blog veröffentlichen soll oder nur auf meiner Website über Frauen-Vorträge. Dann fand ich aber: doch. Erstens ist ja etwas mehr als die Hälfte unserer Bevölkerung weiblich und zweitens: Kein Mann, der nicht von Frauen umgeben ist (Mutter, Schwester, Ehefrau, Freundin) und somit betrifft dieses Thema letztendlich alle und ist nicht nur eine „Randerscheinung“.

Letzten Sonntag war ich in Huttwil (BE) um vor rund 300 jungen Frauen zusammen mit Jasmin Rechsteiner, Miss Handicap 2010, ein Interview über Selbstwert zu geben. Es macht mir zu schaffen, wieviele Frauen unter Essstörungen leiden und ihren eigenen Körper verstossen. Besonders junge Frauen sind in diesem Bereich sehr verletzlich und anfällig, da sie im Vergleich zu meiner und der noch älteren Generation bereits ungleich früher mit krassen und unerreichbaren Schönheitsidealen konfrontiert, ja sogar bombardiert werden.

Deshalb war es den Organisatoren des „Girlicious Camp“ (Wochenende von Tänzerinnen und Leiterinnen aus der ganzen Schweiz von Roundabout, einem Streetdance-Netzwerk) wichtig, eine andere, positivere Botschaft auszusenden: Auch wenn du anders bist, als es die Norm oder die Gesellschaft verlangt – du kannst ein erfülltes und glückliches Leben haben. Es definiert sich nicht alles über das Aussehen – auch wenn gewisse Branchen uns das glauben lassen möchten.

So erzählten Jasmin und ich (in meiner Rolle als Vize-MissMolly 2004) von unseren eigenen Erfahrungen und wichtigen Schlüsselerlebnissen, wie wir mit diesen Zweifeln und Schwierigkeiten umgingen und vom Prozess, wie wir dann zu einem gesunden Selbstwert gefunden haben.

Ein thematisieren dieser prekären Situation (z.B. in Form von solchen Anlässen) ist bitter nötig, denn sogar schlanke Frauen wie aus dem Katalog sind von der Unzufriedenheit ihrem eigenen Körper gegenüber betroffen. Wen wunderts? Kaum ein Plakat oder Titelseite eines Magazins, wo das Foto nicht retouchiert wurde. Frauen haben keine Orangenhaut, keine Falten, keine Augenringe und vor allem: keine Poren mehr. Wer sich mit diesen Bildern vergleicht, wird immer verlieren und sich schlecht fühlen. Wieso müssen Fotos (teilweise) so unkenntlich verändert werden? Scheinbar verlangt „die Branche“ dies. Aber wer ist „die Branche“?

Dieselbe Branche, die fand, dass unsere Miss Schweiz Kerstin Cook mit einem eigentlich schon fast untergewichtigen BMI von rund 19 noch mehr abnehmen müsse, weil sie für Werbung „zu dick“ sei…! Wollen wir wirklich nur noch perfekte Körper und Gesichter sehen, deren „Vollkommenheit“ wir nie erreichen können und uns dabei ständig unglücklich fühlen – im schlimmsten Fall uns wegen solch „kleinen ästhetischen Dingen“ sogar gefährlichen Operationen unterziehen? Das ist einfach krank und es muss ein Umdenken in unseren Köpfen stattfinden.

Um das zu erreichen, muss die Politik aktiv werden und eingreifen, da es scheinbar keine natürliche oder gesunde „Selbst-Regulation“ in der Werbeindustrie gibt. Die „Branche“ – wer auch immer das genau ist – wird über kurz oder lang unsere Gesellschaft zerstören, wenn sie weiterhin solch kranke Schönheitsideale propagiert. Der Schutz und die Erhaltung einer gesunden Persönlichkeit sollte auch ein klares politisches Ziel unseres Landes sein.

Ein Schritt in diese Richtung machte die junge EVP (*jevp) als sie 2006 die Petition „Freie Sicht“ gegen sexistische Werbung lancierte. Bis im Dezember 2006 konnten 17’745 Unterschriften gesammelt werden. Der damalige Nationalrat Heiner Studer reichte anschliessend eine parlamentarische Initiative ein, welche ein Verbot von übersexualisierter und geschlechterdiskriminierender Werbung bringen sollte. Leider wurde daraus nichts, wohl im Namen der „Freiheit“. Dass aber diese „Freiheit“ der einen die Identität von anderen nachhaltig und gravierend schädigt (Zahlen, Statistiken, Beispiele gibt es ja genug!), spielt wohl keine Rolle…..! Das ist doch einfach nur traurig und beschämend, wie wenig uns der Schutz von jungen Frauen (auch junge Männer sind zunehmend betroffen) wert ist.

Wer sich vertieft mit dem Thema auseinander setzten möchte findet hier einen Link zu einem tollen Video von Dove, einen berührenden Blog-Artikel einer jungen Frau sowie ein anderes eindrückliches Video über die verheerende Rolle der Werbeinstrustrie in unserer Gesellschaft.

Mai 30, 2011
by Tania
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Die Schweiz, ein einzig Volk von … Randgruppen!

Es wäre interessant eine Studie zu haben, die über die letzten Jahrzehnte verfolgt hat, wie unsere Gesellschaft mit Menschen umgeht, die nicht in ihr „Raster“ passen – und was die Kriterien sind, die dieses „Raster“ ausmachen. Es scheint mir, dass wir immer mehr „Feindbilder“ oder sogenannte „Sündenböcke“ haben, die für all unsere Probleme als „wahre Schuldige“ herhalten müssen – um uns von unseren eigenen Fehlern und Unzulänglichkeiten abzulenken.

Ein paar Beispiele, um meine Theorie zu untermauern (die Liste kann beliebig fortgesetzt werden):

– Bist du übergewichtig, hast du dich nicht im Griff, bist undiszipliniert, ungepflegt, faul, ein/e Versager/in und an den steigenden Krankheitskosten schuld. Isst du mal in der Öffentlichkeit im Sommer ein Eis, wirst du von allen Seiten verächtlich angeschaut, wobei schlanke Menschen unbehelligt ihren kulinarischen Gelüsten fröhnen können.

– Bist du aus Altersgründen nicht mehr berufstätig und kannst demzufolge im Sinne unserer Gesellschaft nicht mehr „leisten“ bist du nichts mehr wert. Und falls du noch eine Operation brauchen solltest, kannst du nur hoffen, dass der Krankenkasse dein Leben genug Wert ist, um auch im höheren Alter die nötige medizinische Versorgung zu erhalten.

– Hast du nach der Lehre keine Stelle gefunden, hast du Pech, da du schnell ausgesteuert wirst und kaum mehr eine Chance hast, wieder ins Berufsleben einzusteigen – da heute vor allem Stellen ausgeschrieben sind, wo man bereits Berufserfahrung mitbringen sollte. Für deine missliche Lage kannst du übrigens den netten Parteien und Vertretern danken, die damals für die Revision des Arbeitslosengesetzes im September 2010 gestimmt haben, dies waren: Bundesrat, Parlament, BDP, CVP, FDP, Grünliberale, SVP. Diese verheerende Entscheidung hat deine Situation erheblich verschlechtert. Nur EVP, Grüne und die SP haben damals dagegen gestimmt und sich solidarisch mit den schwächsten Gliedern unserer Gesellschaft gezeigt.

– Hast du eine Einschränkung aufgrund einer Krankheit, bist du auch eine Kostenbürde und vermutlich sowieso selber an deiner Erkrankung schuld (schlechter Lebenswandel etc.).

– Bist du arbeitslos, hast du dir wohl einfach zu wenig Mühe gegeben (schliesslich – das sagen ja die bürgerlichen Parteien: „Wer will, der kann“).

– Und last but not least: Wenn du Ausländer/in bist, ist eigentlich egal was du machst – arbeitest du, nimmst du uns die Jobs weg, arbeitest du nicht, liegst du uns auf der Tasche….und in beiden Fällen bist hauptsächlich du am Klimawandel, unseren Energie- und Mobilitätsproblemen schuld….

Summieren wir diese Gruppe von „unerwünschten Personen“ – auf wieviel würden wir dann kommen? Das ist doch eine zu hohe Zahl von Sündenböcken, die an den Rand unserer Gesellschaft gedrängt werden. Wir können nicht immer mehr Personen aus dem gesellschaftlichen Leben ausschliessen. Wenn das so weitergeht, haben wir bald mehr „Randgruppen“ als Personen, die aktiv am gesellschaftlichen und politischen Leben teilhaben können.

Wollen wir das? Lasst uns diese prekäre Entwicklung stoppen!
Wie können wir das erreichen?

Meine Ideen:

Sensibilisierungskampagnen zu diesem Thema die aufzeigen sollen, dass es jeden treffen kann (Arbeitslosigkeit, Krankheit etc.) und man schon bald selber zu den „Randständigen“ gehören könnte, wenn diese „Mentalität der Verurteilens“ so weiter geht.

Und – politisch wohl nicht umsetzbar – wäre ein Sinneswandel jedes Einzelnen und dann der ganzen Gesellschaft hinzu einer Wertehaltung, die geprägt ist von gegenseitiger Wertschätzung und Respekt, Voraussetzung für eine wirklich gesunde Schweiz. Dazu ein vernünftiges Mass an „vor der eigenen Haustüre wischen“ und nicht alle Schuld immer bei den anderen suchen.

Was sind deine Ideen?

Mai 14, 2011
by Tania
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Der Mythos des unbegrenzten Wachstums

Grad kürzlich bin ich wieder über das sehr treffende Zitat von Kenneth E. Boulding (1910-1993) gestolpert: „Wer in einer begrenzten Welt an unbegrenztes exponentielles Wachstum glaubt, ist entweder ein Verrückter oder ein Ökonom.

Alle schreien nach Wachstum. Bei jeder Bewertung von Unternehmen wird das (Umsatz-/Gewinn-) Wachstum als zentraler Faktor hervorgehoben. Sobald ein Unternehmen die Erwartungen der Anleger (bzw. die Prognosen der sogenannten „Analysten“) nicht erfüllt, sinkt der Aktienkurs – und dies obwohl teilweise hohe Wachstumsraten und Gewinne verzeichnet wurden. Wohin soll das führen?

Auch beim Bewerten des Zustandes der Schweiz wird das Wachstum (BNE = Bruttonationaleinkommen, früher BSP) fast als einzig relevanter Faktor hervorgehoben. Als ob ein ständiges (Wohlstands-)Wachstum das einzig erstrebenswerte Ziel und der Gradmesser für den Zustand unserer Gesellschaft sei. Es scheint mir, dass man vergessen hat, dass all unsere Ressourcen endlich sind. Wir haben nur beschränkten Platz zur Verfügung, um zu Wohnen, Lebensmittel anzubauen und Produkte herzustellen. Auch sind andere Ressourcen wie Wasser endlich, die lebenswichtig für uns Menschen, Tiere und Pflanzen sind. Ein immerwährendes Wachstum ist weder realistisch noch nachhaltig. Aber weshalb wird unaufhörliches Wachstum als so erstrebenswert angesehen?

Gäbe es nicht andere Kenngrössen, die wichtigere Aussagen über den „echten“ Zusand unserer Gesellschaft machen? Ist es nicht wichtiger, wie ein Land / eine Gesellschaft mit den Schwächsten Gliedern umgeht? Ich denke da an Menschen mit Leistungseinschränkungen, sei es wegen psychischer Probleme oder körperlichen Benachteiligungen. Oder Menschen, die an schweren Krankheiten leiden oder „alte“ Menschen, die nicht mehr arbeiten können.

In einer Gesellschaft, wo auch Leistung als eines der wichtigsten Maxime angeschaut wird – was löst das in diesen Menschen aus? Mit unserer Mentalität „Leistung muss sich lohnen“ grenzen wir immer mehr Menschen aus und erhöhen den Druck auf die (noch) gesunden Menschen. Psychische Probleme wie „Burn out“ nehmen zu, gleichzeitig wird dieses Thema immer mehr tabuisiert, betroffene Menschen schnell als „Schwächlinge“ oder ähnliches abgestempelt und trotzdem immer mehr Leistung gefordert und der Druck erhöht. Paradox, nicht?